Mit vielseitig schönem Tenorton: Hermann Winkler zum 100. Geburtstag

Bewusst höre ich ihn wohl Anfang der Achtzigerjahre in München an der Bayerischen Staatsoper. Da gastierte Hermann Winkler regelmäßig während der Festspiele, aber auch in der regulären Spielzeit. Er sang damals Mozarts Idomeneo – neben Julia Varadys Elektra, Lilian Sukis als Ilia und Claes Haakan Ahnsjö als Idamante in einer aus dem Cuvilliéstheater, dem Uraufführungsort […]

Die exemplarische Geschichte einer Ausgrenzung: Robert Carsen lässt in seiner starken Scala-Inszenierung Peter Grimes nie aus dem Gerichtssaal

Ein schmutzweißer, gänzlich nüchterner Saal, halbhoch getäfelt mit einfacher Empore. Bänke, Tische eine Gerichtsschranke, die auch als Boot und schließlich Sarg dient – mehr braucht Robert Carsen nicht, um – erstaunlich spät in seiner langen Opernregiekarriere – den für ihn so perfekt passenden „Peter Grimes“ an der Mailänder Scala zu inszenieren. Wer einmal in Aldeburgh, […]

Wohltönende Mischung aus Film Noir und Mistery Thriller: „Die Frau ohne Schatten“ erstmals an der Opéra de Lyon

Szenen einer Geister-Mensch-Ehe. Sie steht frustriert im weißen Pyjama in ihrem schicken Badezimmer und ritzt sich die Arme. Er wischt später stoisch hinter ihr das Blut auf. Null Kommunikation, kein Versuch eines Liebesbeweises. Nur einsam nebeneinander herlaufende Aktion. Dazu gibt es merkwürdige Ambient-Geräusche und weibliches Stöhnen. Dann erst setzt das Orchester unter dem sorgfältigen Daniele […]

Ein sensitives Dschungelbiest und ein Wagner-Käpt‘n Blaubär: Weiß Köln eigentlich, was es an seinem versatilen GMD François-Xavier Roth hat?

Das ist ja fast wie in den guten alten Zeiten! Der Chef steht an zwei aufeinanderfolgenden Abenden mit völlig unterschiedlichen Opern im Graben. Er ist zudem kein Kostverächter und deckt im Repertoire alles ab von „Salome“ bis zur „Großherzogin von Gerolstein“, von Wagner bis zu Uraufführungen und natürlich immer wieder den von ihm so geliebten […]

Ein Käfig voller neapolitanischer Opernnarren: Vincis frühe Buffa „Li zite ’ngalera“ als geschlechtsfluide Wiederentdeckung an der Mailänder Scala

Zwei Männer küssen sich im Hafen von Neapel, Vorher haben sie einander angeschwärmt, obwohl sie von anderem sprachen. Die Zeit: 1722. Und da soll solches passiert sein? Natürlich nicht, aber in der Oper schon, genauer: in einer Commeddeja pe mmuseca, wie es auf gut Neapolitanisch heißt, also einer Commedia in Musica auf Hochitalienisch. Die wiederum […]

Küsse in der Prom Night: Gounod „Roméo et Juliette“ nüchtern aufgeräumt in Zürich, aber traumschön gesungen

Für gewöhnlich gilt Charles Gounods Shakespeare-Adaption „Roméo et Juliette“ von 1867 als charmanter Schmachtfetzen, den die Opernhäuser ansetzen, wenn man zwei junge, heißblütige und bitte auch berühmte Sänger an der Besetzungsangel hat. Die dürfen dann lieben und leiden, seufzen und sterben, dass es die reine Vokalfreude ist. Irgendjemand arrangiert das gefällig, und irgendwer anderes schlägt […]

„Bastarda“: Donizettis gelungener Tudor-Königinnen-„Ring“ – in Brüssel an zwei Abenden

Echte Menschen, wirkliche Konflikte, aufgelöst und zusammengehalten von der Grammatik der romantischen Italo-Oper des 19. Jahrhunderts. Gespiegelt in einer freien Annäherung an Renaissance-Optik als Herzergießungen in Cavatinenform, emotionale Ausbrüche nach Cabalettaart ­– und auch in den vielen, innovativen sanglichen Zwischenstufen, die der rastlos komponierende Gaetano Donizetti so nebenbei erfand. Das sind einige der Gründe, warum […]

Queer as Folk: Dmitry Sinkovsky und Calixto Bieito gelingt in Zürich eine tolle Wiederbelebung von Cavallis visionär geschlechterfluidem „Eliogabalo“

Ein römischer Kindkaiser aus Syrien in einer frühvenezianische Opera Seria. Francesco Cavalli komponierte „Eliogabalo“ 1667. Das Werk kam aber damals nie heraus, das Libretto über den mindeste bisexuellen, Frauenkleider tragenden, nach heutigen Begrifflichkeiten wohl queeren Imperator war selbst für die Freizügigkeit der Serenissima zu schlüpfrig; außerdem galt Cavallis Opernstil, immer noch ein textnahes Recitativo, bereits […]

Die Meghan Markle der Renaissance: Die Genfer Donizetti-Trilogie schreitet mit „Maria Stuarda“ hervorragend voran

Eine Primadonna macht schon einen Belcanto-Sommer. Aber gleich zwei, Königinnen noch dazu, in einer einzigen Oper, die sich wie die Katzen befauchen, gipfelnd in jenem famosen ersten Finale, wenn Maria Stuart statt für Frieden zu sorgen, Elizabeth, ihrer Rivalin um dem englischen Thron, der „unreinen Tochter der Boleyn“, verachtungsvoll „Bastarda“ entgegenschleudert –  das ist ein […]

Auf hohem Niveau enttäuschend: Nicht einmal Asmik Grigorian wächst mit ihren Singdarstellerinnenkünsten in der Frankfurter „Zauberin“ über Tschaikowsky hinaus

Tschaikowskys beste Oper? Naja, er darf das glauben, aber er, der kein sonderliches Selbstwertgefühl besaß, hat auch diverse andere Fehlurteile über seine Musik verbreitet, die heute zum Glück keiner mehr ernst nimmt. Also „Die Zauberin“, ein reizvolles Werk, aber doch zu Recht nicht so populär wie „Eugen Onegin“, „Pique Dame“, „Mazeppa“ und „Iolanta“. Ab und […]