
Einen „feministischen Science-Fiction-Thriller“ hat Katie Mitchell für ihre Inszenierung der „Frau ohne Schatten“ an der Dutch National Opera versprochen. Und wer die bisweilen auch provokativen Arbeiten der englischen Schauspiel- wie Opernregisseurin kennt, der konnte durchaus hoffen. Schließlich gibt es in dem zu Zeiten des ersten Weltkriegs geschriebenen, 1919 uraufgeführten und bis heute schwer an seiner überkommenen Gleichsetzung von Frausein und Mutterschaft tragenden Opus Magnum des Duos Richard Strauss/Hugo von Hofmannsthal Einiges zeitgenössisch zurechtzurücken.
Doch nicht nur wurde die Premiere in Amsterdam wegen der Pandemie von 2020 auf 2025 verschoben. Je länger der vierstündige (bereits massiv stückgekürzte) Abend dauerte, desto mehr erwies er sich als ein spießig-wirrer Regiealbtraum, der vor allem eines nicht ist: feministisch. Eher noch misogyner als das auch aus seiner Zeit heraus zu verstehende Original.

Was man nach Mitchells öd-unsinnlicher „Ariadne auf Naxos“ in Aix-en-Provence schon hätte ahnen können. Strauss ist so gar nicht ihr Ding, denn einfach nur mit dem emanzipatorischen Holzhammer zerklopfen lassen sich diese hochkomplexen Opern eben auch nicht. Auch wenn sie behauptet: „Die Anpassung der Inszenierung zur Modernisierung des Librettos ist unerlässlich, um die Relevanz der Oper zu erhalten. Dabei geht nichts verloren – man gewinnt nur etwas.“

Im überkorrekt achtsamen Holland ziert bereits das Programmheft die Trigger-Warnung vor „sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung, Schusswaffengewalt, Drogennutzung“; eigentlich – bis auf einen Schlaftrank für Barack – alles Dinge, die ursprünglich in der „Frau ohne Schatten“ gar nicht vorkommen. Aber hier wird ja auch eher die Geschichte einer unfruchtbaren Mafia-Boss-Tochter erzählt, die endlich mittels einer mehr oder weniger freiwillig von einer Proletarierfrau gespendeten Eizelle schwanger wird. Und das unter beständigem Vorhalten gezückter Pistolen wie dem übermäßigen Einsatz eines Ultraschallapparats, bis selbst die dauerhaft hin- und her gerollte Maschine nicht mehr mag und ihren Monitorgeist aufgibt.

Bis zu diesem wenig rauschhaften Technikfinale, in dessen Verlauf auch noch die Amme und die drei behinderten Barak-Brüder, die hier alle eigentlich laut Libretto längst nichts mehr zu suchen hatten, erschossen wurden – warum, das wissen nur die Regisseurin und ihr abirrender Dramaturg – hat Katie Mitchell es immerhin erfolgreich fertiggebracht, dass man von dem symbolistisch überladene Märchenspiel von den „südlichen Inseln“ noch weniger verstand, als im von Hofmannsthal sowieso schon allzu eng verknoteten Handlungsdickicht sonst üblich.

Dabei hat die Dutch National Opera mit der „Frau ohne Schatten“ bisher viel Glück gehabt. Zum ersten Mal im neuen Haus am Waterloo Plein war sie 1992 in der legendären, auf drei Ebenen einer sich drehenden Pyramide spielenden Hartmut Haenchen/Harry Kupfer Produktion zu sehen, die vorher schon an der Ost-Berliner Staatsoper entstanden war. Und auch der zweite „FroSch“ war eine Übernahme: 2008 gab man die vielgereiste farbenfroh-minimalistische, 1992 in Genf gezeigte Inszenierung Andreas Homokis, die dessen Karriere begründet hatte. Damals stand erstmals Marc Albrecht am Pult, was zu seiner Berufung zum dritten deutschen DNO-Chefdirigenten in Folge ab 2011 führte. Nach Haenchen und Ingo Metzmacher bliebt der Hannoveraner zehn Jahre lang bis 2021. Und eigentlich sollte die diesmal wirklich neue „Frau“-Inszenierung den Kreis schließen; was dann eben doch noch einige Jahre dauerte.
Instrumental allerdings hat sich dieses Warten voll gelohnt. Majestätisch und souverän thront der 61-Jährige über dem ihm bestens vertrauten, breit aufgefächerten Nederlands Philharmonisch. Der Graben ist hier so groß, dass alle von Strauss geforderten Streicher untergebracht werden können, bei den geteilten Sektionen nicht – wie sonst oft – geschummelt werden muss. So gelingen beide Prinzipien dieser ausufernden Partitur: Kontrapunkt und Kaleidoskop.

Albrecht fängt leise und konzentriert an, er wird laut, wenn es das Stück fordert. Er schwelgt nicht, er gestaltet präzise, sehr durchsichtig, macht Strukturen und Harmonien deutlich, verliert sich nicht im Geigengeflimmer und Celesta-Glitzer. Obwohl er das auch kann. Hinreißend gerät ihm etwa die ganze Szene des Kaisers im zweiten Akt vom Cellosolo bis zum machtvollen Tutti. Beziehungsreich lässt er Motive aufscheinen, hat Sinn für die Süße, aber auch die raffinierte Kantigkeit der immer wieder mit neuen Klangüberraschungen aufwartenden Wunderpartitur.
Wäre nicht die Ernüchterung auf sonst allen Ebenen. Katie Mitchell startet in einem nüchtern weißen Bauhausinterieur mit Schlafzimmer und Boudoir. Hier finden die Farben dieser Musik so gar keinen Wiederhall, der rabenartige Geisterbote (zu laut: Sam Carl) wie auch der unauffällige Falke (Aitana Sanz) mit ihren Vogelköpfen wirken genauso deplatziert wie die Wolfsschergen des Zauberers Keikobad, die am Bildende die Putzkolonne meucheln. Vorher wurde noch der zur Jagd schreitende Kaiser (mit wenig auftrumpfendem Tenorstrahl: AJ Glueckert) von gleich drei Dienern ungewaschen in die Jagdtarnkleidung gesteckt und verabschiedet.

Das hatte schon keinerlei Fallhöhe, auch nicht die Interaktion zwischen der einen ganz schlimmen Bad-Nurse-Day habenden Amme in Gestalt der diese in faktisch jeder zweiten „FroSch“-Produktion verkörpernden Michaela Schuster mit von Anfang an schrill vibratösem Mezzogekreisch und der der offenbar direkt aus dem Bett ihrem Yoga-Retreat entgegenchillenden Kaiserin. Die singt Daniela Köhler unbeteiligt, wenig subtil, direkt, mit Kraft die Höhen anpeilend. Die Amme hat so gar nichts Dämonisches, ist eine wohlmeinende Hausfreundin in Hosen und Sneakers, die dann zum ersten Mal den ominösen, noch oft auftauchenden Ultraschall zum Schatten- bzw. Fötuscheck auffahren lässt. So perfekt wie sie Gleitgelflasche wie Sonde beherrscht, könnte die Schuster jederzeit als gynäkologische Praxishilfe anfangen.
Nur über das Stück erzählen solche Mätzchen rein gar nichts. Wie zu erwarten fährt die Bühne von Ausstatterin Naomi Dawson nach oben: Darunter sehen wir die gleiche, nur etwas schäbigere, angeranzte Wohnsituation der Färber; da gibt es noch die Farbküche (Hier: eine Drogenfertigung) im Hintergrund, und ein Plastikweihnachtsbaum im Schlafzimmer verströmt sein scheinbar harmlos buntes Licht. Zwischen allen Beteiligten kommt trotz viel Körperaktion und abgefuckter Ehe-Vibes wenig Spannung auf. Besonders lächerlich: Wenn der von der Amme herbeigezauberte Jüngling (tenorvergurgelt: Egor Zhuravskii), von der Färberin um seinen Slip gebracht wird, einen Blowjob verpasst bekommt und sie schließlich im Stehen von hinten nimmt. Die Kaiserin ficht das nicht an, die zieht sich in schwarzen Gummihandschuhen auf Hausarbeiten zurück.

Unauffällig in Permanenz bleibt auch der Barak-Dealer des baritonordentlichen Josef Wagner. Während Aušrinė Stundytės Färberin das Kunststück fertigbringt, noch hässlichere Singlaute als die Schuster hervorzubringen. Wo diese metallisch fräst, hämmert sich die andere in die Publikumsköpfe. Eine Pein.
Der dritte Akt spielt dann in einem zweistöckigen, abgewrackten Krankenhausflur mit Folterkeller. Dahinein werden alle gestoßen und geschubst, zwischendurch aber umarmt der als Antilope (kollegialen Dank an den so beklauten Claus Guth) dauerpräsente, und damit völlig uninteressant gewordene Keikobad seine zickende Tochter und auch die längst verabschiedete Amme. Die Quelle des Lebens ist ein Servierwagen mit Chemiekolben, neben denen der nicht versteinerte, sondern im Hospitalbett sedierte Kaiser schlummert. Aber als die Kaiserin, nach einer letzten Untersuchung, nicht geschwängert werde will, obwohl sie doch schon längst künstlich befruchtet worden war und die vorher schwangere Färberin dann bereits ein Kind mit sich herumtrug, sind jetzt plötzlich alle in Gebärlaune.

Nachdem das finale Blutbad angerichtet ist, von Kaisers seltsam desinteressiert betrachtet, schreitet ein farbiges Mägdelein zwischen den Übriggebliebenen dahin. Letztes C-Dur und Vorhang über einem Regiedesaster, das sich gewaschen und gefärbt hat. Auch vokal hat das Besetzungsbüro der DNO schon bessere Griffe getan. Aber Marc Albrecht und sein allerfeinste Strausschauer bereitendes Orchester, sie wenigstens waren diese missglückte Premiere wert
