„Es werde Lichter“, sprach der Libretto-Dichter und ließ die Buffa-Puppen tanzen. Keine Charaktere, sondern Typen, irgendwie geboren im ganz normalen Uraufführungswahnsinn italienischer Opernhäuser im frühen 19. Jahrhundert; fest am Faden hängend und ganz nach Bedarf herumgeschoben von ihren Schöpfern. Dieser Poeta in Gioachino Rossinis „Türke in Italien“, der sich und seine Erfindungsnöte vorlaut zum Thema […]
Opernpremiere
Zwischen Zauberbaum und Automatikgewehr: Haydns „Armida“ als Winteroper im Schlosstheater Potsdam
Die Magierin, die gegen die Übermacht der Gefühle verloren hat, musst sich zwischen Zauberbaum und Automatikwaffe entscheiden. Sie wählte die Welt der Illusionen in Gestalt eines Bonsais in einem durchsichtig neonleuchtenden Kasten links vom mit golden geschnitzten Musikinstrumenten verzierten Bühnenrahmen. Doch das Gewehr im rechten Kasten gegenüber ist stärker. Und so bricht der Ritter Rinaldo […]
Im Menschenversuchslabor: Richard Brunels packender „Wozzeck“ in Lyon
In den letzten Bühnenjahren wollte man Alban Bergs Büchner-Oper „Wozzeck“, die besser ist als die Stückvorlage (was sie wiederum mit Debussys „Pelléas et Mélisande“ nach Maeterlinck gemein hat) gern in der Gegenwart sehen. In München stellte ihn Andreas Kriegenburg zeitlos auf Stelzen auf einer Wasserfläche, im Theater an der Wien zeigte ihn Richard Carsen im […]
Intensivierung durch Kontinuität: Der souverän gelungene Tudor-Zyklus am Grand Théâtre de Génève endet glückvoll mit „Roberto Devereux“
Aviel Cahn kann auch kulinarisch. Das hat der scheidende Intendant des Grand Théâte de Génève in den letzten drei Spielzeiten etwa mit seiner Donizetti-Tudor-Trilogie bewiesen. Während die Konkurrenz in Zürich und Amsterdam, wo man früher oder gleichzeitig an der der niemals vom Komponisten als Einheit gedachten, aber damals thematisch extrem populäre Werkfolge „Anna Bolena“, „Maria […]
Auch nach 14 Jahren funktioniert diese bedeutsame Produktion noch: Weinbergs „Die Passagierin“ in David Pountneys Urinszenierung am Teatro Real Madrid
Oben das hellglänzend Gute – unten die Hölle von Auschwitz. Das zweistöckige Bühnenbild, um das auf Schienen Eisenbahnwagen fahren, sagte schon fast alles über die Oper „Die Passagierin“ von Mieczysław Weinberg, die auf den Erlebnissen der polnischen Autorin Zofia Posmysz im Vernichtungslager beruht. Eine Deutsche begegnet auf einer Schiffsreise einer Polin, die in ihr eine […]
Die exemplarische Geschichte einer Ausgrenzung: Robert Carsen lässt in seiner starken Scala-Inszenierung Peter Grimes nie aus dem Gerichtssaal
Ein schmutzweißer, gänzlich nüchterner Saal, halbhoch getäfelt mit einfacher Empore. Bänke, Tische eine Gerichtsschranke, die auch als Boot und schließlich Sarg dient – mehr braucht Robert Carsen nicht, um – erstaunlich spät in seiner langen Opernregiekarriere – den für ihn so perfekt passenden „Peter Grimes“ an der Mailänder Scala zu inszenieren. Wer einmal in Aldeburgh, […]
Wohltönende Mischung aus Film Noir und Mistery Thriller: „Die Frau ohne Schatten“ erstmals an der Opéra de Lyon
Szenen einer Geister-Mensch-Ehe. Sie steht frustriert im weißen Pyjama in ihrem schicken Badezimmer und ritzt sich die Arme. Er wischt später stoisch hinter ihr das Blut auf. Null Kommunikation, kein Versuch eines Liebesbeweises. Nur einsam nebeneinander herlaufende Aktion. Dazu gibt es merkwürdige Ambient-Geräusche und weibliches Stöhnen. Dann erst setzt das Orchester unter dem sorgfältigen Daniele […]
Ein sensitives Dschungelbiest und ein Wagner-Käpt‘n Blaubär: Weiß Köln eigentlich, was es an seinem versatilen GMD François-Xavier Roth hat?
Das ist ja fast wie in den guten alten Zeiten! Der Chef steht an zwei aufeinanderfolgenden Abenden mit völlig unterschiedlichen Opern im Graben. Er ist zudem kein Kostverächter und deckt im Repertoire alles ab von „Salome“ bis zur „Großherzogin von Gerolstein“, von Wagner bis zu Uraufführungen und natürlich immer wieder den von ihm so geliebten […]
Ein Käfig voller neapolitanischer Opernnarren: Vincis frühe Buffa „Li zite ’ngalera“ als geschlechtsfluide Wiederentdeckung an der Mailänder Scala
Zwei Männer küssen sich im Hafen von Neapel, Vorher haben sie einander angeschwärmt, obwohl sie von anderem sprachen. Die Zeit: 1722. Und da soll solches passiert sein? Natürlich nicht, aber in der Oper schon, genauer: in einer Commeddeja pe mmuseca, wie es auf gut Neapolitanisch heißt, also einer Commedia in Musica auf Hochitalienisch. Die wiederum […]
Küsse in der Prom Night: Gounod „Roméo et Juliette“ nüchtern aufgeräumt in Zürich, aber traumschön gesungen
Für gewöhnlich gilt Charles Gounods Shakespeare-Adaption „Roméo et Juliette“ von 1867 als charmanter Schmachtfetzen, den die Opernhäuser ansetzen, wenn man zwei junge, heißblütige und bitte auch berühmte Sänger an der Besetzungsangel hat. Die dürfen dann lieben und leiden, seufzen und sterben, dass es die reine Vokalfreude ist. Irgendjemand arrangiert das gefällig, und irgendwer anderes schlägt […]