Zum heiteren Finalkonzert des Pärnu Music Festivals, eingetrübt nur am Anfang von der als Klangstudie düster-dräuenden, aber obligatorischen Uraufführung „The Bow“ des jungen Esten Ülo Krigul, tritt erstmals und vielbejubelt in Estland Berlins philharmonischer Flötenstar Emmanuel Pahud auf. Der ist selbst überrascht vom Erfolg, den er entfacht. Seine hohe Schule der Lippengeläufigkeit demonstriert er bei Mozarts Flötenkonzert – mit ein paar eingeschmuggelten Arvo-Pärt-Takten vor dem dritten Satz, zu denen Paavo Järvi die Noten halten muss sowie der elegant orchestrierten Poulenc-Sonate, die seinem silbrigen Ton aus der Goldflöte besonders schmeckt. Als Zugabe gibt es noch eine sanft in der Sommerhitze verhauchende „Syrinx“ von Claude Debussy.
Paavo Järvi und das noch einmal blendend disponierte Estonian Festival Orchestra, dessen konsequente Aufbauarbeit sich in der letzten Dekade ausgezahlt hat, schickt dem lässig die sanft pulsierende 4. Sinfonie von Franz Berwald nach. Das ist eine fröhliche Musik, nur scheinbar „naive“, so der Titel von fremder Hand, aber eben liebenswürdig, hell strukturiert ohne die ganz großen Seinskonflikte austragen zu müssen. Wie passend in diesem zweiten Pandemiesommer, der in Pärnu fast keiner ist. Was man sehr gern zur Kenntnis genommen hat.
Und dann, das Publikum hat sich warmgeklatscht, steht längst im Saal, folgen natürlich die hier obligatorischen Finalzugaben: ein Stück von Hugo Alfén sowie den einst einen Puppentrickfilm schmückenden heiter melancholischen, die Klarinette von Mattthew Hunt noch einmal ausdrucksreich beschäftigenden Frühlingsfliegenwalzer von Lepo Sumera. Dazwischen knall grell und blechgesättigt Bizets Vorspiel zum vierten „Carmen“-Akt.
Mission also wieder erfüllt. Auch das Pärnu Festival 2021 ist schon wieder Vergangenheit. Auf der letzten Party bei Umberto wurde freilich schon darüber nachgedacht, mit welcher Eduard-Tubin-Sinfonie man dann im Sommer 2022 die mittags bereits halb eingespielte nächste EFO-CD komplettieren könnte. Immerhin zehn stehen zur Auswahl.
Gleichzeitig musste beim Verbier Festival im Schweizer Wallis nach 22 Corona-Fällen im Jugendfestivalorchester eben vieles umgeplant werden. Die Musiker wurden quarantäniert oder heimgeschickt.War dieses entspannt-angstfreie Pärnu-Festival vielleicht auch nur ein Fliegentraum? Am Riga Airport wartet frühmorgens jedenfalls schon wieder die obligatorische Maske…