In der Genfer Kathedrale als Glaubensparabel: Barbara Hannigan und Jakub Józef Orliński sind die beiden Protagonisten in Romeo Castelluccis Schmerzensreflektion „Stabat Mater“ nach Pergolesi und Scelsi

Irgendwie mochte der Funke diesmal nicht so recht überspringen, weder der göttliche noch der theatralische. Dabei ist Romeo Castellucci, der inzwischen fest auf den Bühnen verankerte italienische Installationskünstler, gerade bei weltlichen wie geistlichen Oratorien immer besonders gut gewesen. Da konnte er nerven, wie in einer endlos blutigen Hamburger Matthäus-Passion, verstören wie in seinem „Über das […]

Ultraschall im Übermaß, getunkt in Strauss-C-Dur: Katie Mitchells verunglückte „Frau ohne Schatten“ an der Dutch National Opera

Einen „feministischen Science-Fiction-Thriller“ hat Katie Mitchell für ihre Inszenierung der „Frau ohne Schatten“ an der Dutch National Opera versprochen. Und wer die bisweilen auch provokativen Arbeiten der englischen Schauspiel- wie Opernregisseurin kennt, der konnte durchaus hoffen. Schließlich gibt es in dem zu Zeiten des ersten Weltkriegs geschriebenen, 1919 uraufgeführten und bis heute schwer an seiner […]

Opernparodien von Gassmann und Donizetti in Mailand und Sachsen-Anhalt: An der Scala kracht alle zusammen, in Halle schmeißt Mamma Agata den Buffa-Laden

Der Komponist und der Textdichter hassen sich. Alle haben zu spät geliefert, Die Primadonna ist eitel, der Tenor dumm, der Kastrat eifersüchtig. Die Nachwuchssängerin schläft sich empor, die Ehemänner und Mütter des Vokalpersonals machen Radau. Die Vorstellung der hochmögenden Seria-Oper „L’Oranzebe“ geht schief, die Tänzer sind unkoordiniert, die Kulissen krachen zusammen, der Pappelefant fällt um […]

Ein finsteres Land – gestern wie heute Calixto Bieito beendet am Grand Théâtre de Génève seine Russland-Trilogie mit Mussorgskys „Chowanschtschina“

Liebe – nicht wirklich. Bewunderung – uneingeschränkt. Modest Mussorgskys „Chowanschtschina“, was ungefähr mit „Die Schweinereien des Fürsten Chowanski“ zu übersetzen ist, dürfte nicht nur die Oper mit dem seltsamsten Titel sein. Sondern, das hat sie wohl mit Janaceks „Aus einem Totenhaus“ gemein, eine der undramatischsten, depressiv ausweglosesten. Außer dem anfänglichen orchestralen, zart anschwellenden Sonnenaufgang über […]

Rossinis „Il Turco in Italia“ an der Opéra de Lyon: Laurent Pelly bringt einen Fotoroman ironisch zum Klangfunkeln  

„Es werde Lichter“, sprach der Libretto-Dichter und ließ die Buffa-Puppen tanzen. Keine Charaktere, sondern Typen, irgendwie geboren im ganz normalen Uraufführungswahnsinn italienischer Opernhäuser im frühen 19. Jahrhundert; fest am Faden hängend und ganz nach Bedarf herumgeschoben von ihren Schöpfern. Dieser Poeta in Gioachino Rossinis „Türke in Italien“, der sich und seine Erfindungsnöte vorlaut zum Thema […]

Zwischen Zauberbaum und Automatikgewehr: Haydns „Armida“ als Winteroper im Schlosstheater Potsdam

Die Magierin, die gegen die Übermacht der Gefühle verloren hat, musst sich zwischen Zauberbaum und Automatikwaffe entscheiden. Sie wählte die Welt der Illusionen in Gestalt eines Bonsais in einem durchsichtig neonleuchtenden Kasten links vom mit golden geschnitzten Musikinstrumenten verzierten Bühnenrahmen. Doch das Gewehr im rechten Kasten gegenüber ist stärker. Und so bricht der Ritter Rinaldo […]

Irrende Helden der Barockoper – angekommen bei der Trilogia d’Autunno des Ravenna Festivals

Der Alte lässt das Mausen nicht. Zumindest das der Blicke. Pier Luigi Pizzi steht im 95 Lebensjahr. Aber das hindert den Gefälligkeitsaltmeister der italienischen Opernregie nicht dran, sich wie stets und immer wieder neu beim Inszenieren von männlicher Schönheit inspirieren zu lassen – was er noch schamloser, dabei stets dezent auf gerade noch klassische Ästhetik […]

Sie gibt ihm Glanz, er gibt ihr Tiefe: Yuja Wang und Vikingur Ólafsson auf begeisternder Duo-Tour

Yes, sie liebt es nicht nur in extrovertierter Ministoffausstattung und höllischen High Heels aufs Podium zu stöckeln. Yuja Wang, inzwischen 37, vom Gehabe her aber ewiges Teenie-Girlie (freilich die aufreizende Version) und klavierspieltechnisch eine sehr alte, erfahrene Turbotastenseele, mag auch die musikalische Herausforderung durch spielende Partner. Und je nerdiger, desto besser. Sie hat es schon […]

Tasten-Grandezza und Orchesterkönnen: Mit Daniil Trifonov, Jakub Hrůša und den Bamberger Symphonikern auf Tour in Wien, Ljubljana und Zagreb

Manchmal kann Konzertplanung ganz schön tricky sein, obwohl sie sich so einfach liest. Zum Beispiel: Die tourneeerprobten Bamberger Symphoniker geben in rascher Reihe fünf Konzerte in zweimal Graz, je einmal Wien, Lujubljana und Zagreb. Mit Danill Trivonov und einem eher ungewöhnlichen Programm: die Vierte Beethoven, ein Lieblingsstück von Chefdirigent Jakub Hrůša, der erstaunt ist, dass […]

Im Menschenversuchslabor: Richard Brunels packender „Wozzeck“ in Lyon

In den letzten Bühnenjahren wollte man Alban Bergs Büchner-Oper „Wozzeck“, die besser ist als die Stückvorlage (was sie wiederum mit Debussys „Pelléas et Mélisande“ nach Maeterlinck gemein hat) gern in der Gegenwart sehen. In München stellte ihn Andreas Kriegenburg zeitlos auf Stelzen auf einer Wasserfläche, im Theater an der Wien zeigte ihn Richard Carsen im […]