Ja, sie war eine kleine Person. Aber dieses vermeintliche Manko macht sie nicht nur durch viel Farbe im Haar, im Gesicht und an der Kleidung wett, sondern auch durch ihr so elegantes wie aufgerautes, temperamentberstendes und technisch furioses Geigenspiel wett. Dabei weiß man noch nicht einmal so genau, ob Ida Haendel – geboren wohl 1928 im polnischen Cholm, von Nazis und Krieg in London einigermaßen verschont geblieben und in New York auf und hinter der Bühne der Carnegie Hall als Violinqueen und eine der wichtigsten Lehrerinnen anerkannt, ja längst legendär verklärt – am 30. Juni wirklich mit 91 Jahren gestorben ist. Ihr Geburtsdatum reicht nämlich bisweilen bis 1923 zurück, aber angeblich nur, weil ihr Agent sie älter machte, damit sie an manchen Wettbewerben schon teilnehmen konnte.
Mit dreieinhalb Jahren soll Ida bereits auf der Geige ihrer älteren Schwester ein Lied nachgespielt haben, das ihre Mutter sang. 1932 gewann sie – ohne Noten lesen zu können – den Hubermann-Wettbewerb, mit 7 Jahren war sie unter den Finalisten des Wienawski-Wettbewerbs, den die damals 16-jährige Ginnette Neveu gewann während sich David Oistrach (damals 27) mit dem zweiten Preis begnügen musste. Ida Haendel – ausgebildet bei zwei der besten Lehrer, George Enescu und Carl Flesch –, damit noch fest in einer Geigentradition des 19, Jahrhunderts verwurzelt, trat bereits kurz nach dem Krieg in Deutschland auf. Die deutsche Musik, ist ihr, die auch Werke von Dallapiccola und Petterson uraufgeführt hat, immer eine Herzensangelegenheit gewesen, auch wenn sie ihr Berliner Philharmoniker-Debüt schändlich spät erst 1993 gegeben hat. Zwischendurch hatte sie sich nach Kanada, später nach Florida abgesetzt; sie hat sich dem Konzertbetrieb auch immer wieder entzogen.
Ihre erste Aufnahme erschien in der Vierzigern bei der Decca, die Firma schenkte ihr einen Hund dazu, den sie ebenfalls Decca nannte; so wie alle dessen Nachfolger. Sie lebte zunächst in England. Bedeutende Aufnahmen spielte sie mit Rafael Kubelik, Zubin Mehta, sogar noch Simon Rattle ein. Der bedeutendste nicht nur Platten-Dirigent war für Ida Haendel aber Sergiu Celibidache, mit dem sie eine lange Freundschaft verbinden sollte und der mit ihr die meisten ihrer Plattenaufnahmen machte, solange das für ihn noch opportun war: „Es war eine Freundschaft, leider auch eine unerfüllte Liebe“, sagte sie später. Einer ihrer Schüler war übrigens David Garrett.
Wie ihr Neffe Richard Grunberg auf Facebook schrieb, ist diese witzige, schlagfertige Weltbürgerin der Violine „friedlich in ihrem Haus in Miami verstorben“.