Heinz Spoerli, der „Tanzmacher“ der Schweiz, wird 80 Jahre alt

Das Paradoxe an dem Choreografen Heinz Spoerli ist: Einerseits gibt es wohl weltweit kaum einen Kompaniechef von Rang – John Neumeier in Hamburg einmal ausgenommen –, der seine Arbeit so gut gemacht hat, erst von 1973 bis 1991 in Basel, dann fünf Jahre in Düsseldorf und ab 1996 in Zürich. Wo er 2012 dann den Schlussstein setzte und sich seither mehr oder weniger zurückgezogen hat. Und immer noch als das gute Ballettgewissen der Schweiz gilt. Überall hat Heinz Spoerli für hochbegabte wie ausdrucksstarke Tänzer gesorgt, für eine große wie gut geführte Gruppe, in der meist die Männer dominierten. Und er hat vorbildlich ein Repertoire aufgebaut. Spoerli war aber nicht nur ein glänzender Administrator, sondern stets auch ein bienenfleißiger Kreativer.

Der spätberufene Basler begann erst mit 17 Jahren. Einst bei Waslaw Orlikowski engagiert,  folgten von 1963 bis 1973 Engagements als Solist in Köln unter Todd Bolender, beim Royal Winnipeg Ballet, bei den Grands Ballets Canadiens in Montreal, am Theater Basel sowie am Grand Théâtre de Genève. Ab 1967 entstanden dort erste choreografische Arbeiten. Der Durchbruch als Tanzschöpfer gelang Spoerli 1972 mit „Le chemin „am Genfer Theater.

Später hat sich immer wieder an den großen Klassikern abgearbeitet. Ihm gelangen stilvollen Neuinterpretationen von „ La Fille mal gardée“, „Giselle“, „Coppélia“, „Romeo und Julia“, „Don Quichote“„Der Nussknacker“, „Schwanensee“ „Dornröschen“ und „Josephs Legende“, aber auch neue Abendfüller wie „Falstaff“, „La Belle Vie“ und „Peer Gynt“. Hinzu kamen zeitgenössische Ballette und pointierte Kurzformen wie „Chäs“, „Miniaturen“, „Dead End“ und „Loops“.

 Er hat außerdem seit hinreißend abstrakte, immer geschmackvolle Ballette zur Musik aller Epochen und Gattungen geschaffen. Vor allem aber zu Bach, allen voran die „Goldberg-Variationen“. Auch war sich Heinz Spoerli nie zu schade für Opern- und Operetteneinlagen. Man soll vor allem nicht unterschätzen, wie er in immer neuen Überarbeitungen seine Werke substanziell verbesserte, verdichtete. Er ist ein Könner, ein Professioneller, ein Praktiker.

Darin freilich liegt anderseits das Dilemma des mit seiner über 200 Werken weltweit gefragten, eigentlich immer erfolgreichen Choreografen Heinz Spoerli. Er hat (zu) wenig riskiert, war nie ein Revolutionär, bewegte sich meist genügsam auf den Pfaden der Konvention. Heinz Spoerli hat nichts erfunden und wenig weiterentwickelt. Sein einziger wirklich charismatischer Solist war der heute als Choreograf längst aus seinem Schatten getretene Martin Schläpfer. Er selbst nennt sich, wie auch ein Film über ihn betitelt ist: „Der Tanzmacher“. Spoerlis Schöpfungen bedienen meist die Konsumhaltung eines bürgerlichen Publikums aufs Beste. Er genügt der Tradition, der er stets ein modernes, bisweilen auch nur modisches Aussehen verliehen hat. Heute wird er, gelassen auf die Früchte seiner Arbeit zurückblickend, 80 Jahre alt. Und eines kann man retrospektiv sagen: Er war und ist wirklich der „Tanzmacher“ der Schweiz!

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