Der 57-jährige Thierry Escaich ist nicht nur Organist und Hochschullehrer, sondern längst auch einer der wichtigsten französischen Komponisten der Post-Boulez-Ära. Drei Opern hat er bisher geschrieben. Nach dem 2013 an der Opéra de Lyon uraufgeführten „Claude“ kamen jetzt innerhalb von ein paar Wochen „Point-d’Orgue“, ein szenischer Einakter über sein Lieblingsinstrument, am Pariser Théâtre des Champs-Élysées […]
Autor: Manuel Brug
Traumbesetzung in der hässlichen Wiener Alptraum-„Lucia di Lammermoor“
Im Opernwien (gibt es ein anders?) wurden 2019 ein fundamental wichtige Baustein dortiger Hochkultur ausgetauscht – die schon seit 2012 nicht mehr gespielte, historistisch kulissenvolle, kostümpralle „Lucia di Lammermoor“-Anrichtung Boheslav Barlogs. Nach 40 Jahren, Ende 1978 war Premiere. Die Wiener hatte sie einst ins Belcanto-Delirium versetzt, die damalige Primadonna Edita Gruberova wurde als Königin der […]
Tschaikowskys Klanganalyse russischer Machomilitärkultur: Die brillante „Pique-Dame“ der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko
Hoffentlich bringen die Berliner Philharmoniker ihre eben unter Kirill Petrenko abgeschlossene Trias von Tschaikowsky-Opern auch als Box heraus. Das würde in jedem Fall eine lohnende Ergänzung, der Werk-, der Orchester- wie der Interpretendiskografien bedeuten. Nach dem martialischen Ukraine-Epos „Mazeppa“ und der jugendstil-lichten „Yolantha“ ging jetzt mit der „Pique-Dame“ dieser wichtige Zyklus eben zu Ende. Ganz […]
Musikalisch reichhaltiger Osterausflug: In Rheinsberg gab es Hasses Serenata „La Semele“
Der Weg führt über Oranienburg mit seiner seit der Landesgartenschau 2009 proper sanierten Ortsmitte am Hohenzollern-Barockschloss, das die meiste Zeit Fabrik oder Kaserne war. Dann nach Gransee, wo die Liebe eines anderen Herrschers Schinkel ein Eisensargdenkmal entwerfen ließ, weil hier Königin Louises Leichnam 1811 auf dem Weg nach Berlin eine Nacht rastete. Das ist bekannt. […]
Erstmals in Holland zu sehen: Das Het Nationale Ballet schenkt sich zum 60. Geburtstag eine politisch korrekte „Raymonda“
Als brillanter Tanzkonfektionär des Zaren definiert Marius Petipa nach wie vor den Standard, zu dem alle in der heutigen Ballettwelt aufblicken und sich messen. Seine mehr oder weniger exakt überlieferten Werke, von der bearbeiteten „Giselle“ bis zur „Raymonda“, sie bleiben die Grundpfeiler des Klassikrepertoires. Doch selbst sein „Schwanensee“ von 1895 ist erst nach dem Zweiten […]
Es blühen wieder die Zitronen: Ambroise Thomas‘ Goethe-Petit-Four „Mignon“ hinreißend delikat in Lüttich
Vive(z) l’Opéra! Die Oper lebt und sie lebe. So warb vor einiger Zeit die Pariser Oper nicht nur für sich selbst – denn die Grande Nation meint mit opéra selbstredend vornehmlich die ehrwürdige Institution der Academie Royale de la Musique –, sondern macht doppeldeutig gute Stimmung gleich für die ganze Gattung. Und inzwischen sohar auch […]
Die fatalen Familiengeheimnisse: das alljährliche Opernfrühlingsfestival in Lyon recherchiert bei Verdi, Bach und Schreker
Wer so eine Familie hat, braucht keine Feinde mehr. Das wussten schon die alten Griechen. An der Opéra de Lyon, wo Festival-Zeit immer auch Magnolienblüte-Zeit ist, gab es jetzt die alljährliche Operntrias am properen Stagione-Haus unter dem Motto „Secrets de famille“. Das freilich ist ein um genau zwei Spielzeiten coronabedingt verschobenes Programm des inzwischen seit […]
Immer wieder neue Anfänge: das Amsterdamer Opera Forward Festival mit Trojahn im Zeichen der Eurydice
Bald steht wieder die Münchner Biennale für zeitgenössisches Musiktheater an. Das war mal, 1988 von Hans Werner Henze gegründet, ein wenngleich allzu oft auf literarischen Vorlagen beruhendes Festival der modernen Oper von erstaunlicher Nachhaltigkeit hinsichtlich der Halbwertzeit der dort vorgestellten Kreationen. Heute freilich ist es eine esoterische Spezialisten-Nichtigkeit, ohne jede Ausstrahlung, nerdig, altbacken, null innovativ. […]
Noble Zurückhaltung des Leidens: In Genf lösen Angelin Preljocaj und Leonardo García Alarcón Lullys „Atys“ tänzerisch traumschön auf
2011, da gab es ein besonderes Déjà-Vu in Versailles. Da war in der nobel klassizistischen in fabulösem Gold-Blau gehaltenen Opéra royal erst die tragédie lyrique „Atys“ angesetzt war und danach am Grand Canal zauberisch nächtliche Fêtes venetiennes mit gigantomanischem Feuerwerk, Masken und Gondeln zelebriert wurden. Jean-Baptiste Lullys Fünfakter von 1676, wegen seiner bis hin zum […]
Russische Kinder im Tschaikowsky-Opernkrieg: Am Abend des Einmarschs in die Ukraine dirigierte Putins erster Kultursoldat Valery Gergiev an der Mailänder Scala fast ungeprobt „Pique Dame“
Diese gestrige „Pique-Dame“-Premiere an der Mailänder Scala war aus zwei Gründen bemerkenswert. Valery Gergiev dürfte nun auch dort der erste Dirigent sein, der eine Neuinszenierung einzig mit der Generalprobe wuppte. Und das musikalisch erstklassig. Mit einer dunklen, satten Farbenpalette aufgewühlter Gefühle, davongetragen vom Sog der Ereignisse, so wie sich der spöttische Alexander Puschkin ausgedacht hatte. […]