54, das ist ein gutes Alter für eine Isolde. Nicht mehr jugendlich, aber die irische Maid muss ja auch vokal Einiges bewältigen. Und nicht überreif, denn irgendwie glaubwürdig soll es ja schon klingen. Und so ist die hochgeschätzte Schwedin Camilla Nylund also jetzt mit diesem überwältigenden Zürcher Debüt bei den Hochdramatischen angekommen. Nicht dass dies überraschen würde. Es war ja auch gut und akribisch vorbereitet, kein Fachwechsel, eher eine Erweiterung. Vor kurzem sang Nylund noch an der Frankfurter Oper blendend die Frau in Schönbergs großer Monoszene „Erwartung“, 2018 hat sie den zweiten „Tristan“-Akt bereits an der Seite von Jonas Kaufmann unter Andris Nelsons mit dem Boston Symphony Orchestra ausprobiert.
Alle jugendlichen Straussrollen und die lyrischen Wagner-Partien haben organisch dahingeführt. Im Herbst startet Camilla Nylund ebenfalls im intimen Opernhaus Zürich mit ihren ersten „Walküre“-Brünhilden im laufenden Homoki/Noseda-„Ring“; die andern werden folgen. Dann fehlt ihr eigentlich nur noch die Elektra, und vielleicht interessiert sie auch in der „Frau ohne Schatten“ der Wechsel von der Kaiserin, die sie dieser Tage dann auch noch in München singt, hin zur Färberin…
In Zürich trat sie für ihr Isolden-Erstes-Mal in der auch schon 14 Jahre alten Claus-Guth-Inszenierung an, die die „Tristan“-Nicht-Handlung irgendwie locker surreal, aber auch nicht wirklich zwingend mit den biographisch amourösen Wagner-Geschehnissen in der dortigen Villa Wesendock (heute Ethnologie-Museum) verknüpft. Gelegenheit freilich für viel gründerzeitlich gekleidetes Personal und Christian Schmidts edelmöblierte bürgerlichen Salons, diesmal in Rot und hellem Türkis, natürlich stets verdoppelt, und beständig rotierend. Manches ist sinnfällig, Einiges nicht.
Doch Sinn machte in jedem Fall die Nylund: die Stimme blüht, kling frisch, schwelgt trotzdem fraulich füllig. Sie kommt nie ins Keifen, schneidet gut durch das bisweilen etwas zu laute Klanggewoge Gianandrea Nosedas, wölbt sich aber immer schön überkuppelt auch in den Spitzentönen. Breit, aber geschmeidig ist die Mittellage, und auch die unteren Resonanzräume klingen gut durch. Sie weiß zu gestalten, fesselt durch deutliche Artikulation. Eine Bilderbuch-Isolde, die beste seit Nina Stemmes Debüt 2003 in Glyndebourne. Die freilich hat jetzt die Brünnhilden schon wieder abgegeben, die Isolde wird bald folgen. Also ist jetzt Nylund-Zeit, etwas mehr Ruhe auf dem Weg dorthin hat sie sich ja sowieso gelassen.
Ihr zur Seite steht Michael Weinius ebenfalls Schwede, imposant und durchschlagkräftig als Tristan. Er klingt ein wenig neutraler, am Ende fehlen ein paar Töne. Er verschluckt gern Endsilbe und ist nicht gänzlich textsicher – aber trotzdem eine große Leistung. Sehr solide Franz Josef Seligs König Marke. Über ihr Zenit hinaus, aber warmgeworden immer noch ordentlich: die Brangäne Michelle Breedt, wie der auf den Punkt präsente Martin Ganter als Kurwenal schon bei der Premiere dabei. Todd Boyce ist ein schneidiger Melot, sehr tenorschön Thomas Erlank als Hirte/Stimme des Seemanns.
Gianandrea Noseda legt sich schnittig mit der Philharmonia Zürich in einen schnellen, aber nie hetzigen „Tristan“, der insbesondere den hohen Holzbläsern viel Blühzeit und Fluidum gibt. Sehr sprachgestalterisch wird da untermalt, man ist als Zuschauer immer dran, die Aufmerksamkeit bleibt beim Orchester wie bei den Stimmen. Bis hin zum perfekt zurückgefahrenen Diminuendo der beglückenden letzten „Liebestod“-Töne.