2011, da gab es ein besonderes Déjà-Vu in Versailles. Da war in der nobel klassizistischen in fabulösem Gold-Blau gehaltenen Opéra royal erst die tragédie lyrique „Atys“ angesetzt war und danach am Grand Canal zauberisch nächtliche Fêtes venetiennes mit gigantomanischem Feuerwerk, Masken und Gondeln zelebriert wurden. Jean-Baptiste Lullys Fünfakter von 1676, wegen seiner bis hin zum […]
Russische Kinder im Tschaikowsky-Opernkrieg: Am Abend des Einmarschs in die Ukraine dirigierte Putins erster Kultursoldat Valery Gergiev an der Mailänder Scala fast ungeprobt „Pique Dame“
Diese gestrige „Pique-Dame“-Premiere an der Mailänder Scala war aus zwei Gründen bemerkenswert. Valery Gergiev dürfte nun auch dort der erste Dirigent sein, der eine Neuinszenierung einzig mit der Generalprobe wuppte. Und das musikalisch erstklassig. Mit einer dunklen, satten Farbenpalette aufgewühlter Gefühle, davongetragen vom Sog der Ereignisse, so wie sich der spöttische Alexander Puschkin ausgedacht hatte. […]
„Thaïs“ erstmals auf französisch an der Scala: Olivier Py macht christliches „Crazy Horse“, Lorenzo Viotti rührt diszipliniert in der Himbeersoße
28 Opern als stimmig tönender Beleg einer Zeit. Während die damals in der Kunst noch tonangebende Opernwelt des späten 19. Jahrhunderts in den Nachwehen des Wagnerrausches lag, sich den gewöhnlichen Genüssen des italienischen Verismo mit seinen bewusst alltäglich-rustikalen Themen hingab und der alte Großmeister Giuseppe Verdi fast schon verstummt war, stieg Jules Massenet zum Komponistenkönig […]
Belcanto-Routine von der Rossini-Stange: Die Frankfurter Oper spielt verdienstvoll, aber unspezifisch „Bianca e Falliero“
Von den nur fünf an der Mailänder Scala uraufgeführten Rossini-Opern können höchstens der inhaltlich mit der vierten Theaterwand beinahe avantgardistisch spielende „Il turco in Italia“ und die heute als Gattung Semiseria schwierig zu vermittelnde „La gazza ladra“ einigermaßen Originalität beanspruchen. Die anderen drei Werke, „La pietra del paragone“, „Aureliano in Palmira“ und das 1819 uraufgeführte […]
Die tödliche Falle der liebenden Gattin: bei den Karlsruher Händel-Festspielen gelingt ein herausragender „Hercules“
Auf immerhin drei Auftritte bringt es der griechische Halbgott Herakles im üppigen Opern- wie Oratorienschaffen Georg Friedrich Händels: Im 1727 uraufgeführten „Admeto“, darf er als basssingender, rustikal-komischer, ziemlich einfach muskelgestrickter Deus ex Machina im zweiten Akt die Königin Alceste in der Unterwelt gegen den Höllenhund Cerberus verteidigen und wieder ans Sonnenlicht geleiten. 1750 taucht er […]
Hilflose Splatterorgie im Drogenrausch: Ersan Mondtag verschießt in Kassel den „Freischütz“ aus dem Wald ins allzu bekannte Opernirrenhaus
Dreie treffen, viere äffen. Leicht „Freischütz“-abgewandelt, könnte dieses Musiktheater-Jägerlatein nicht nur für die Wolfschlucht-Kugelgießerei, sondern auch für Ersan Mondtags bisherige Opernkarriere gelten. Der hochgehypte Theaterregisseur aus Berlin hat dreimal Glück gehabt, mit Schrekers „Der Schmied von Gent“ und Weills „Der Silbersee“ zweimal an der Flämischen Oper sowie mit Rued Langgaards Mysterium „Antikrist“ an der Deutschen […]
Des Meeres und der Britten-Liebe Wellen: Jonas Kaufmann debütiert in einer exzellenten Wiederaufnahme an der Wiener Staatsoper als komplexer Peter Grimes
Der „Tannhäuser“ steht weiterhin noch ziemlich konkret auf seiner Wunschliste, den Calaf wird er in Kürze als Studioproduktion der „Turandot“ unter Antonio Pappano immerhin für die CD festhalten (so wie auch schon Puccinis Pinkerton). Ansonsten war diese Spielzeit als einzige neue Rolle für Jonas Kaufmann das Debüt als Brittens „Peter Grimes“ vorgesehen. Eine Charakterrolle für […]
Positive Mahler-Ekstase mit lauter negativen Mitwirkenden: die mutige Tour der Bamberger Symphoniker ist in Baden-Baden zum guten Ende gekommen
In Baden-Baden war schon mal mehr Lametta als Off-Season an einem trüben Januartag. Der Kurpark kahl und verwaist, der Badische Hof abgebrannt, der Europäische Hof Dauerbaustelle. Und auch das Frieder-Burda-Museum offeriert nur gehäkelte Korallenriffs. Da kann man sich höchstens in die Thermen flüchten – oder eben ins Festspielhaus, wo zum ersten Mal seit dem improvisierten […]
Eine „Auferstehung“ besonders rührender Klangart: Mitten im Omikron-Hoch gehen die Bamberger Symphoniker samt Wiener Singakademie mit Mahlers Zweiter auf Reisen
Klar, die Bamberger Symphoniker sind ein geübtes Reiseorchester. Aber gegen eine Pandemie sind auch sie machtlos, freilich vom Glück begünstigt. Und so scheinen sie gegenwärtig unter Omikron durchzutauchen und von allen guten Tourneegeistern gesegnet zu sein. Gerade haben sie Mahlers 9. Sinfonie zum größten Entzücken der Franzosen unter ihrem weltweit gefeierten Chefdirigenten Jakub Hrůša in […]
Triumph einer Partitur, eines Konzepts und einer Sängerbesetzung: Ulrich Rasche inszeniert mit seiner Genfer „Elektra“ erstmals Oper
Wo laufen Sie denn hin? Nein, einen „Peter Grimes“ als Operndebüt des gehypten Theaterregisseurs Ulrich Rasche, das hätte man sich nicht so wirklich vorstellen können. Schließlich ist es dessen minimalistische Spezialität, sein Personal im Dauergehen- und rennen in dunklen, vernebelten, von Lichtschneisen durchschnittenen Kunsträumen umwabert von Bombastmusik über Rollen, Tonnen, Bänder sprinten und spazieren zu […]