„Cavalleria Rusticana“ am Strand: Robin Ticciati bringt Ethel Smyth mit  „The Wreckers“ nach Berlin

Foto: Glyndebourne Festival/ Richard Hubert Smith

Emphase, Drama, Musikgetöse, Liebe und Leidenschaft. Das lieferte diesen Sommer auf originelle Weise Glyndebourne, die supergepflegte Mutter aller britischen Country House Operas mit dem Top-Theater. Denn da hatte man 2022 – mit ein wenig schlechtem Equality-Gewissen – die komponierende Suffragette Ethel Smyth mit ihren „Strandpiraten“ entdeckt. Alle gaben sich viel Mühe, und man ist auch sehr gnädig gestimmt, aber ein ganz erstklassiges Stück ist „The Wreckers“ kaum. Nicht nur, weil Benjamin Britten 40 Jahre später mit dem „Peter Grimes“ die definitiv britische Sea Opera geschrieben hat.

Macht aber nichts, denn als ein Opus englischen Verismos ist es interessant. Wobei: Die bestens vernetzte Symth hatte es zunächst auf Französisch komponiert, um es so besser in London platzieren zu könnten. 1906 gab es „Strandrecht“ dann erstmals in Leipzig. Glyndebourne hatte seine Recherche-Hausaufgaben gemacht und spielte eine etwa 30 Minuten längere Urfassung in Französisch als „The Wreckers“. Leider war für gute Sprachcoaches nichts mehr übrig. Und wirklich gut, strahlend mitreißend wurde – mit Ausnahme des flexiblen Tenors Rodrigo Porras Garulo als Mark – auch nicht gesungen. Aber rollendeckend und glaubwürdig.

In der in Cornwall spielenden Geschichte einer religiös verblendeten Küstengemeinde, die Schiffe in die Irre führt, auflaufen lässt und ausplündert, dabei die Mannschaft tötet und solches als gottgegeben sieht, hat das rachesüchtige, schnell aufhetzbare Volk das große Wort. Und der wie stets junge Glyndebourne-Chor machte das fabelhaft bedrohlich klanggischtend.

Auch Glyndebourne-Musikchef Robin Ticciati ließ am Pult des aufschäumenden London Philharmonic Orchestra des Meeres wie der Liebe Wellen toben und wogen, ganz selten nur sinnlich strahlen. Zwar versucht Smyth im zweiten Akt nach „Tristan“-Nähe zu schielen, wenn die von anderswo herkommende Pastorenfrau Thurza (Karis Tucker gab eine mezzowütende Berserkerin) sich dem Fischer Mark hingibt und beide Feuer anzünden, um die Schiffe von der Küste fern zu halten. Aber sie schafft es nie dorthin. Doch die Rahmenakte sind die tumult- und musikstarken; für Chor kann Ethel Smyth schreiben, für Solostimmen weniger.

So hörte sich das an wie „Cavalleria Rusticana“ am Strand, aber ohne Melodien. Philip Horst war ein bösartiger Pastor. James Rutherford überzeugte als hetzerischer Leuchtturmwärter Laurent, Lauren Fagan war oft angeschrillt dessen manipulative, bitchige Tochter Avis, die ebenfalls hinter Mark hergeilt. Und Melly Still inszenierte das realistisch heutig in einer gewitzt semiabstrakten Bühnenlandschaft zwischen einem nornenhaften Tänzerinnen-Quartett, dem Cliff als Stahltreppe, einer rotierenden Haustüre und geschickt atmosphärische Belichtung wie Videobebilderung für die losgelassenen Naturelemente. Also hatte „The Wreckers“, wo das Liebespaar am Ende den nassen Außenseitertod sterben muss, in der Country House Opera von East Sussex nicht Schiffbruch erlitten, sondern einen sicheren Musiktheaterhafen gefunden.

Und das soll es jetzt auch in Berlin. Denn dorthin hat Robin Ticciati seine englische Sängercrew nun eingeladen, um am Sonntag, 25. September in die Philharmonie die „Strandpiraten“ auch konzertant andocken zu lassen. Die französische Fassung ist selbstredend eine deutsche Erstaufführung. Hier freilich werden dann das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und der Rundfunkchor für die nötige Britishness sorgen. Hingehen absolute empfohlen! Eine kleiner Proben-Sneak Peek ließ schon Bestes hoffen.

Am Nachmittag vor dem Konzert findet von 14 bis 18 Uhr im Curt-Sachs-Saal im Musikinstrumenten-Museum ein Symposium über „Die Opernkomponistin Ethel Smyth zwischen Deutschland und England“ statt. Es gibt Vorträgen von Prof. Dr. Rebecca Grotjahn, Dr. Marleen Hoffmann, Prof. Dr. Cornelia Bartsch, Dr. Angelika Silberbauer und die Podiumsdiskussion „Komponistinnen auf dem Vormarsch“. Eintritt frei.

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