Heiter-vergnügte Serenade unter Wolkendecke: Ein erstes Konzert der Akademie für Alte Musik seit vier Monaten beim Ersatz-Musiksommer Rheinsberg

„Ein Sommer in Rheinsberg ohne Musik? Undenkbar!“ Das sind zwar starke Worte, die der Leporello für das infolge der Corona-Pandemie ebenfalls ausfallen müssende Festival der Kammeroper Rheinsberg in seinem Ersatzprogramm-Leporello formuliert. Aber ja, am Musenhof von Fridericus Rex, wo der in seiner Jugend Kultur wie Königssein lernte, ist es eben noch mal schöner, wenn Töne und Klänge die sommerlich brandenburgischen Lüfte durchsäuseln, während sich sanft die Wellen des Grienericksees kräuseln. So jedenfalls in der Theorie. In der Praxis kann es natürlich auch mal schütten und prasseln, und dieses Jahr ist sowieso nix mit Oper im Heckentheater. „Ein Fest für Beethoven“, das auch die Opern „Leonore“ und Aubers „Fra Diavolo“ umfasst hätte, ist auf 2021 verschoben.

Dafür hat der seit 2019 amtierende Georg Quander, der das Musikfestival endlich der Matthus-Mafia entwunden hat, also nun an den Wochenenden im Juli einen verkleinerten, hygienegerechten „Musiksommer Rheinsberg“ programmiert. Mit vornehmlich Preisträgerkammerkonzerten im reizenden Schlosshof, wo man durch die Agavenkübel gekrönte Kolonnade auf das Gartenparterre, die Segelboote auf dem See und den Obelisken des Prinzen Heinrich am anderen Ufer blickt. 180 Zuschauer tun das – auf Abstand, aber dennoch ge- und erfüllt.

Zudem hat Klaus Wichmann, Quanders alter Ex-Technikchef der Lindenoper, der sich schon lange für ein Theatermuseum in Berlin stark macht, im Schlosstheater wieder mal seine Donnerbleche, historischen Scheinwerfer und alten Aufrisse zu einer hübschen Theatertechnikausstellung aufgebaut. Ganz hinten hängt der astronomische Schmuckvorhang aus Herbert Wernickes legendärer „La Calisto“-Inszenierung, ebenfalls mit 25 Jahren fast schon eine Antiquität. Und nach den Konzerten gibt es noch Opernverfilmungen für diejenigen, die den Abend nicht früh im Rheinsberger Ratskeller abrunden wollen.

Erstmals ist es auch gelungen, die Berliner Akademie für Alte Musik hierher zu locken, und die spielten – zum ersten Mal als größeres Ensemble seit vier Monaten – eine sehr vergnügliche, leichtgewichtige Serenade, auch wenn der wechselhaft frische, aber sonnige Tag natürlich pünktlich zum Konzertbeginn einer dunklen Wolkendecke wich. Es blieb aber trocken, und einmal mehr überraschte die gute, windfreie Akustik, die keine Verstärkung für Konzertmeister Bernhard Forck, einen Bassisten und 12 weitere Streicherinnen nötig machte. Der junge Fritz hatte seinen märkischen Musenhof eben auch für outdoor perfekt durchdacht.  

Man hub an mit dem verzwickt raffinierten Divertimento G-Dur Hob. II:2 von Joseph Haydn, wie überhaupt lauter eleganten Unterhaltungsmusik zu hören war, dies aber vielschichtig wie tiefgründig und auf höchstem Niveau gespielt. Auf den Jugendgeniestreich des 11-jährigen Felix Mendelssohn, die Streichersinfonie Nr. 10 in h-moll, die in manchem Satz zu erstaunlicher Eigenständigkeit findet, folgte die weltberühmte, aber selten live und dann auch kaum so spritzig-raffiniert aufgeführte Kleine Nachtmusik Mozarts. Die Schwalben tschilpten dzu im Tiefflug, mal röhrte ein Boot dazwischen, und die Sonne versuchte vergeblich, sich zwischen dem Gewölk durchzukämpfen.

Ein wenig introvertierter, zurückhaltender wurde es in den skizzenhaft feinen Fünf Deutschen Tänzen mit Coda und Trios D 90 von Franz Schubert, juvenile Werke von individueller Feinfühligkeit. Zum Finale folgte der robust-derbe Mozart-Spaß der Serenata notturna Nr. 6 D-Dur KV 239 mit ihrer doppelorchestrigen Faktur plus gewichtiger Pauker-Aufgabe. Die wurde zudem im Finale mit generös lustigen Soloimprovisationen aufgepeppt. Ein lässiger Musikfrühabend auf dem Lande also. Dafür war Rheinsberg gern mal wieder einen Ausflug wert.

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