Ein sensitives Dschungelbiest und ein Wagner-Käpt‘n Blaubär: Weiß Köln eigentlich, was es an seinem versatilen GMD François-Xavier Roth hat?

Das ist ja fast wie in den guten alten Zeiten! Der Chef steht an zwei aufeinanderfolgenden Abenden mit völlig unterschiedlichen Opern im Graben. Er ist zudem kein Kostverächter und deckt im Repertoire alles ab von „Salome“ bis zur „Großherzogin von Gerolstein“, von Wagner bis zu Uraufführungen und natürlich immer wieder den von ihm so geliebten […]

Ein Käfig voller neapolitanischer Opernnarren: Vincis frühe Buffa „Li zite ’ngalera“ als geschlechtsfluide Wiederentdeckung an der Mailänder Scala

Zwei Männer küssen sich im Hafen von Neapel, Vorher haben sie einander angeschwärmt, obwohl sie von anderem sprachen. Die Zeit: 1722. Und da soll solches passiert sein? Natürlich nicht, aber in der Oper schon, genauer: in einer Commeddeja pe mmuseca, wie es auf gut Neapolitanisch heißt, also einer Commedia in Musica auf Hochitalienisch. Die wiederum […]

Küsse in der Prom Night: Gounod „Roméo et Juliette“ nüchtern aufgeräumt in Zürich, aber traumschön gesungen

Für gewöhnlich gilt Charles Gounods Shakespeare-Adaption „Roméo et Juliette“ von 1867 als charmanter Schmachtfetzen, den die Opernhäuser ansetzen, wenn man zwei junge, heißblütige und bitte auch berühmte Sänger an der Besetzungsangel hat. Die dürfen dann lieben und leiden, seufzen und sterben, dass es die reine Vokalfreude ist. Irgendjemand arrangiert das gefällig, und irgendwer anderes schlägt […]

„Bastarda“: Donizettis gelungener Tudor-Königinnen-„Ring“ – in Brüssel an zwei Abenden

Echte Menschen, wirkliche Konflikte, aufgelöst und zusammengehalten von der Grammatik der romantischen Italo-Oper des 19. Jahrhunderts. Gespiegelt in einer freien Annäherung an Renaissance-Optik als Herzergießungen in Cavatinenform, emotionale Ausbrüche nach Cabalettaart ­– und auch in den vielen, innovativen sanglichen Zwischenstufen, die der rastlos komponierende Gaetano Donizetti so nebenbei erfand. Das sind einige der Gründe, warum […]

Queer as Folk: Dmitry Sinkovsky und Calixto Bieito gelingt in Zürich eine tolle Wiederbelebung von Cavallis visionär geschlechterfluidem „Eliogabalo“

Ein römischer Kindkaiser aus Syrien in einer frühvenezianische Opera Seria. Francesco Cavalli komponierte „Eliogabalo“ 1667. Das Werk kam aber damals nie heraus, das Libretto über den mindeste bisexuellen, Frauenkleider tragenden, nach heutigen Begrifflichkeiten wohl queeren Imperator war selbst für die Freizügigkeit der Serenissima zu schlüpfrig; außerdem galt Cavallis Opernstil, immer noch ein textnahes Recitativo, bereits […]

Die Meghan Markle der Renaissance: Die Genfer Donizetti-Trilogie schreitet mit „Maria Stuarda“ hervorragend voran

Eine Primadonna macht schon einen Belcanto-Sommer. Aber gleich zwei, Königinnen noch dazu, in einer einzigen Oper, die sich wie die Katzen befauchen, gipfelnd in jenem famosen ersten Finale, wenn Maria Stuart statt für Frieden zu sorgen, Elizabeth, ihrer Rivalin um dem englischen Thron, der „unreinen Tochter der Boleyn“, verachtungsvoll „Bastarda“ entgegenschleudert –  das ist ein […]

Auf hohem Niveau enttäuschend: Nicht einmal Asmik Grigorian wächst mit ihren Singdarstellerinnenkünsten in der Frankfurter „Zauberin“ über Tschaikowsky hinaus

Tschaikowskys beste Oper? Naja, er darf das glauben, aber er, der kein sonderliches Selbstwertgefühl besaß, hat auch diverse andere Fehlurteile über seine Musik verbreitet, die heute zum Glück keiner mehr ernst nimmt. Also „Die Zauberin“, ein reizvolles Werk, aber doch zu Recht nicht so populär wie „Eugen Onegin“, „Pique Dame“, „Mazeppa“ und „Iolanta“. Ab und […]

Auf der Scholle Inka-Land: Verdis rare Galeerenoper „Alzira“ kommt in Lüttich gut raus

„Proprio brutto“ – „wirklich hässlich“. Wenn das Verdikt des Urhebers schon so fies lautet, wie soll dann erst die Nachwelt über dieses Kunstprodukt urteilen? Dabei war Giuseppe Verdis achte Oper „Alzira“, die erste von zweien, die er am berühmten Teatro San Carlo in Neapel herausbrachte, 1845 gar kein echter Misserfolg. Aber viel gespielt wurde der […]

„Cavalleria Rusticana“ am Strand: Robin Ticciati bringt Ethel Smyth mit  „The Wreckers“ nach Berlin

Emphase, Drama, Musikgetöse, Liebe und Leidenschaft. Das lieferte diesen Sommer auf originelle Weise Glyndebourne, die supergepflegte Mutter aller britischen Country House Operas mit dem Top-Theater. Denn da hatte man 2022 – mit ein wenig schlechtem Equality-Gewissen – die komponierende Suffragette Ethel Smyth mit ihren „Strandpiraten“ entdeckt. Alle gaben sich viel Mühe, und man ist auch […]

Ein doppelter Halevy-Triumph in Genf: Das Grand Théâtre lässt auf „La Juive“ noch das Petit four „L’éclair“ folgen

Opernarbeit an den immer teurer, für manche auch anachronistischer werdenden Palästen der Gefühle, die gleichzeitig auch Musikmaschinen, Tonfabriken und Irrenhäuser sind, das ist vor allem Pflege der Geschichte, liebevoll aufbereitetes Festhalten am Vergangenen, Kultur des Erinnerns. Wer dem ewig Gleichen, der Mühle des Repertoire-Getriebes entkommen will, wo jede Tradition allerschnellstens zur Schlamperei verkommt, der versucht […]