Endlich wieder Live-Tanz: ein gelungenes Robbins/Balanchine-Quartett beim Wiener Staatsballett

Fotos: Ashley Taylor

Richtig angekommen ist Martin Schläpfer in Wien und beim dortigen Staatsballett noch nicht – wie denn auch? Nach einer Balanchine-Wiederaufnahme war es im Herbst mit dem Live-Tanz vorbei, seine erste Uraufführung „Mahler IV“ gab es als Stream, die Übernahme seine Brahms Requiems an die Volksoper fiel erstmal ebenso flach wie eine Paul Taylor/Mark Morris/Schläpfer-Triple Bill. Immerhin war jetzt, nach sieben Monaten Live-Tanzabsenz, ein Balanchine/Robbins Quartett in der 700 Zuschauern gefüllten Staatsoper möglich. Und der tat gut. Schläpfer huldigte unter dem Motto „A Suite od Dances“ zwei seiner Tanzgötter mit wiederum zwei großen und zwei intimen Stücken – zwei aus dem jüngeren Repertoire, zwei frisch einstudierten. Das war auf gute Weise unterhaltsamer Genuss mit fein aufpolierten Klassikern, in denen vorwiegend die bewährten Staatsballettsolisten glänzen konnten.

An der Spitze von „Glass Pieces“, 1983 von Jerome Robbins ziemlich avantgardistisch als Eighties-Minimalismus konzipiert, stehen im mittleren Pas-de-Deux-Satz elegant, mit fließenden Posen Nina Polakova und Roman Lazik vor dem Silhouetten-Hintergrund der Frauentruppe. Das anonyme, nur kleinteilig sich verändernde repetitive Marschieren durch eine anonyme Stadtsituation, die bunten Kostüme, die mit dem klassischen Sextett dazwischen kontrastieren, die Energie des Schlusssatzes, zu den so lullenden wie anregenden, von Benjamin Pope animierend dirigierten Philip-Glass-Patterns, das macht Laune. Und zeigt neuerlich, wie starkt das Erleben von Tanz im dreidimensionalen Raum gegenüber der Flachbildware ist.

Intensiv und konzentriert folgen im Mittelteil zwei Meisterwerke: Das lässige, mit der Situation aus Tanzpaar und Instrumentalistenduo (Fedor Rudin an der Geige, Cécile Restier am Klavier) spielende „Duo Concertant“, 1972 von George Balanchine in all seiner makellosen Strahlkraft, aber auch mit feinem Humor eigentlich als Quartett choreographiert. Liudmila Konolova und Masyu Kimoto tanzen das so schlackenfrei wie entspannt, doch mit höchster Präzision. Wunderbar! Ebenso stark Robbins‘ spätes Solo „A Suite of Dances“ von 1994 für den schon älteren Mikhail Baryshnikov. Zwei Könner, die sich nichts mehr beweisen müssen, haben sich hier einst einfach Bewegung geschenkt, zu vier Stücken aus Bachs Cellosuiten ausgelotet, was ein tanzender Mann auf der Bühne sein kann, wie er Erwartungen erfüllt und unterläuft, wie er privat und doch offiziell wirkt, wie er im Dialog mit der immobilen Cellistin (bemerkenswert: Ditta Rohmann) interagiert. Davide Dato tanzt das so geschmeidig wie mit pulsierender Energie, scheinbar spontan und doch überlegt. Die Bühne ist sein – und alle genießen es.

Reiner Spaß dann das nach wie vor nicht alt gewordene „The Concert“ von 1956, Robbins‘ mit Broadway-Burleske und Ballettwitzen spielender, auf der Tanzbühne so rare Versuch von gekonnter Komik. Mit seinen treffenden Charaktertypen in hellblauen Strampelanzügen, dem sich fein echauffierenden Igor Zapravdin am Klavier im herrlich vernudelt orchestrierten Chopin-Mischmasch bereitet das einfach eine gute Zuschauzeit. Da plustert sich der Federhut und die Allüre, da macht sich der Ringelstrumpf-Macho groß, da fehltanzen die Ballerinen, streiten sich die Paare, schlägt der Schüchterne mit der Keule zu, walzt die Ballerina alles nieder und flattern schließlich alle als Schmetterlinge davon. Ein köstlicher Spaß, den die Tänzer freilich noch mit mehr pointierter Lust zur Groteske aufspießen könnten. Aber ein lebendiger Tanzanfang ist wieder gemacht – zumindest in Wien

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