Es werde Opernlicht: Tschaikowskys „Jolanthe“ konzertant mit Kirill Petrenko und Asmik Grigorian bei den Berliner Philharmonikern

Jolanthe“ ist – nach einem dänischen Theatertext – ein symbolistisches Märchen aus der mittelalterlichen Provence, das erzählt, wie eine von der Welt und ihrer eigenen Behinderung abgeschirmte blinde Königstochter durch die Kraft der Liebe wissend wird und sehen lernt. Während das am gleichen Abend 1891 in St. Petersburg uraufgeführte Ballett „Der Nussknacker“ sofort zu den populärsten Tschaikowsky-Partituren avancierte, tat sich diese in sanften Farben schillernde und feingeistige Strukturen auffächernde, dabei wenig dramatische Zustandsbeschreibung stets schwer. Mariinisky-Theaterchef Valery Gergiev hat es für CD eingespielt, auch immer wieder konzertant dirigiert; Anna Netrebko hat es gesungen und ebenfalls aufgenommen, in Paris gab es eine Doppelproduktion mit den „Nussknacker“, in der Sonya Yoncheva sensitiv glänzte.

Nun hat Kirill Petrenko Tschaikowsys letzte Oper im Rahmen seines Opern-Zyklus („Mazeppa“ triumphierte schon, „Pique Dame“ wird nach Ostern in aus Baden-Baden mitgebracht) mit den Berliner Philharmonikern. Die vom Hauptmotiv der 5. Sinfonie durchgeisterte Partitur bringt er sensibel, aber auch mit gebotener rhythmischer Pranke zum Glühen, angefangen von dem bukolischen Englischhorn des Anfangs, zu dem sich zwei Fagotte und Klarinette gesellen, bis zum lyrisch-ekstatischen, beinahe schon jugendstiligen Finale. Tschaikowsky erweist sich dabei wieder mal als ein Meister der Instrumentation.

Jolanthes Weg zum Licht durch Liebe entfaltet sich als psychologisch unterfütterter Seelentrip und -strip. Und wer könnte das gegenwärtig glaubhafter singen als Asmik Grigorian? Da war die Erinnerung an die Yoncheva, die abgesagt hatte, schnell verblasst. Den ersten, tastend feinen Monolog dieser verhuschten Mädchenseele gestaltet die litauische Sopranistin zurückhaltend, doch selbstbewusst, das hinreißend entflammte Liebesduett als musikalisches Zentrum singt sie mit vor allem in der Mittellage dunkelkräftiger, vollsatter, aber auch in der leichten Höhe nicht nachlassender Stimme, wo vorher auch mal rollengerecht matte, seufzend verhauchte Töne ware: Jolanthe erblüht mit gelenkig-sehnigem Sopran im Schimmer amouröser Freuden. Gewandet ist Asmik Grigorian in Schwarzrotkariert (vielleicht früher eine provencalische Picknickdecke?).

Ihr zu Seite mit etwas gepresstem Tenorschmelz und verschämter Träne: der Armenier Liparit Avetsiyan als Ritter Vaudémont. Glorios überbesetzt war Igor Golovatenko mit prächtig fließendem Bariton als dessen Freund und eigentlicher Jolanthe-Verlobter Robert von Burgund, während Mika Kares seiner Galerie väterlicher Könige mit dem René ein weiteres, satt klingendes Prachtexemplar hinzufügt. Klug abgesetzt dazu im Timbre und Charakter so eigenwillige Sänger wie die altpastose Margarita Nekrasova (Amme Martha), der diskret näselnde Tenor Dmitry Ivanchey (Alerik, der Waffenträger) und der rustikale Bass Nikolay Didenko als Torhüter Bertrand. Purer Luxus: die Damen und die nur in den Finaltakten zum Einsatz kommenden Herren des Rundfunkchors Berlin.

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Ein Kommentar bei „Es werde Opernlicht: Tschaikowskys „Jolanthe“ konzertant mit Kirill Petrenko und Asmik Grigorian bei den Berliner Philharmonikern“

  1. Es gibt eine Inszenierung von Peter Sellars
    (Theatro Real) ist bei EuroArts als DVD Rausgekommen

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